Corona ist für Familien immer noch eine sehr schwere Zeit

Corona, Corona und kein Ende in Sicht? Zwei Familien ziehen Bilanz zur Coronazeit

Schon zwei Jahre Coronazeit und gefühlt ist es noch lange nicht vorbei. Oder? Immerhin gelten seit Anfang April die meisten Maßnahmen nicht mehr bundesweit. Die Maske ist seitdem in den meisten Bereichen keine Pflicht mehr. Trotzdem sieht man beim Einkaufen, dass eine überwältigende Mehrheit sie doch weiterhin trägt. Es zeugt von der Vorsicht der Menschen – und zeigt, dass Corona aus den Köpfen nicht so einfach verschwinden wird.

Auch mit unserem Kindertheater sind wir in den letzten beiden Jahren über viele Höhen und Tiefen gegangen. Viele unserer beliebten Vorstellungen mussten ausfallen. Unsere Bilanz? Wie die der meisten: Irgendwie geht es immer weiter! Wir haben es tapfer durchgestanden.

Eine Bilanz zu zwei Jahren Coronazeit – zwei Familien im Interview

Großstadtleben und Dorfidylle: In unserem gemeinsamen Interview trafen sich zwei Mütter aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands. So verschieden die Lebensräume, so gleich das größte Problem der letzten Jahre: Corona.

Barbara Schneider (44) lebt mit ihrer Familie in Köln. Die Grundschullehrerin betreute während des zweiten Lockdowns ihre drei Schulkinder neben dem Job nahezu alleine, weil ihr Mann beruflich viel unterwegs sein musste. Trotz Teilzeitjob eine Mammutaufgabe. “Familien mit Kindern hatten schon ordentlich was zu tragen an der Corona-Politik.”

Mit Mann und zwei Kindern hat Julia Metto (46) die Coronazeit im kleinen saarländischen Reimsbach erlebt. Was im ersten Lockdown noch zu managen war, wurde auch hier im zweiten Jahr zur Belastungsprobe. Grundschul- und Kindergartenzeit hielten einige Herausforderungen bereit. Doch die Geographin zieht auch positive Schlüsse aus der Situation: “Mein Fazit ist: Im Notfall geht alles irgendwie.”

Wir haben beide in einem Videocall zu ihren Erlebnissen befragt und welchen Blick sie in die Zukunft werfen. Sie sind sich schnell einig: Die Schulschließung war für Familien die größte Problematik in den letzten zwei Jahren.

“Wir haben uns anders kennengelernt.”

Julia

Ein Thema – zwei Blickwinkel

Mehr als zwei Jahre leben wir nun schon mit dem allumfassenden Thema “Corona”. Erinnert ihr euch noch, wann euch zum ersten Mal bewusst wurde, dass da etwas Großes auf uns alle zukommt?

Julia: Am 6. März 2020 war ich mit meinem Mann zu seinem Geburtstag zum letzten Mal essen. Ich habe die Problematik aber schon Ende Februar wahrgenommen und letztlich gehofft, dass die Schulen geschlossen werden. Zu der Zeit habe ich als Integrationshelferin in der vierten Klasse gearbeitet. Und dieser Druck durch die Unwissenheit, wie schlimm dieses Virus sein würde, war sehr unangenehm.

Barbara: Ich kann mich gut erinnern, dass wir an Karneval noch auf dem Rosenmontagsumzug waren. Man wusste zwar, es gibt erste Fälle, aber das war noch so weit weg. Bis dann Heinsberg zum ersten Hotspot wurde.

Im Lockdown ab dem 16. März wurden Schulen und Kindergärten schließlich komplett geschlossen. Die Betreuung der Kinder musste anderweitig geregelt werden. Wie habt ihr das bewerkstelligt?

Barbara: Tatsächlich sind meine Eltern einmal pro Woche gekommen und haben die Kinder betreut. Obwohl sie ja mit über 60 auch zur Risikogruppe zählten. Aber anders war es für mich einfach nicht zu organisieren. Später habe ich mich dann mit einer Nachbarin zusammengetan, die eine Tochter in der Klasse meines Sohnes hat. Dann haben wir uns abwechselnd um die beiden Erstklässler gekümmert. Meine beiden Töchter konnten ihr Pensum mit 10 und 12 Jahren weitgehend alleine organisieren. Das war eine große Entlastung für mich.

Julia: Meine Kinder sind ja noch etwas jünger und mussten eigentlich permanent betreut werden. Mein Mann hat als Baumpfleger zum Glück einen sehr flexiblen Job draußen. Da sind wir einfach oft mit auf die Baustelle und haben geholfen. Die ersten 6 Wochen habe ich nicht als problematisch empfunden. Sie waren für die Familie sogar sehr angenehm. Die Kinder waren merklich ruhiger als sonst. Für unseren Großen war es das letzte halbe Jahr im Kindergarten. Er hat es genossen, komplett zu Hause zu sein. Wir hatten aber auch viel Platz, ein Haus mit großem Grundstück. Mein Glück war, dass ich durch die Schulschließung ja auch zu Hause war in der Zeit. Denn Großeltern haben wir leider keine in der Nähe.

Barbara: Am Anfang dachte ich tatsächlich, nach den Osterferien wird die Schule wieder ganz normal öffnen. So kam es aber nicht, Ich war letztlich froh, dass ich irgendwann wieder zur systemrelevanten Gruppe gehörte. Auch für meinen Sohn. Er war sehr froh, dass er wieder in den Kindergarten gehen und den Abschied noch genießen konnte.

“Ich glaube, die Kinder werden so schnell nicht mehr sagen, dass sie keine Lust auf Schule haben.”

Barbara

Im zweiten Lockdown hattet ihr beide einen Erstklässler im Homeschooling. In jener kritischen Zeit, in der die Grundlagen gelegt werden. Wie war das für euch?

Julia: Das war schon eine andere Hausnummer. Die Zeit war insgesamt sehr anstrengend. Weil ich dann mit beiden Kindern überwiegend alleine zu Hause war. In dieser Form mussten wir noch nie so lange alleine bleiben. Mein Ältester als Erstklässler hat sehr viel Unterstützung gebraucht. Und ich hatte in dieser Zeit eine neue Arbeit angetreten. Zwar mit wenig Stunden, aber überwiegend im Homeoffice. Mit zwei Kindern war das schon eine Herausforderung.

Barbara: Ja, das sehe ich auch so. Der zweite Lockdown war für mich wesentlich anstrengender, weil mein Mann kurz vorher einen neuen Job anfing. Er war sehr viel unterwegs. Ich war dann alleine mit den drei Kindern, einer davon gerade in die Schule gewechselt. Da musste man wirklich daneben sitzen. Ich konnte nichts nebenher machen, was Konzentration erforderte. Ich habe mir tatsächlich Zeitpläne gemacht: Wer wann Videokonferenz hat. Wann ich koche. Zeiten, in denen meine Kinder ihr Material bearbeiten mussten. Die Aufgaben meiner eigenen Schüler habe ich am Wochenende nachgeschaut. Unter der Woche war da eigentlich keine Zeit. In der Zeit spielte es keine Rolle, ob man Teilzeitkraft oder Vollzeitkraft ist.

Familie Metto

Habt ihr denn neben der häuslichen Belastung auch beruflich Auswirkungen gespürt?

Barbara: Wir Lehrer haben in der Coronazeit ja nichts früher erfahren als die Eltern aus der Presse. Da mussten wir dann immer ad hoc reagieren, wenn es wieder eine Änderung gab. In der Anfangszeit haben wir uns in unseren Teams einmal die Woche getroffen, um die Arbeitspläne zu machen. In der Schule konnten sich dann die Kinder das Material abholen. Videokonferenzen gab es erst im zweiten Lockdown, weil wir vorher überhaupt nicht ausgerüstet waren.

Julia: Wir hatten zum Glück finanziell keine Einbußen. Das war eine enorme Entlastung. Und ich habe die Vorzüge des Homeoffice schätzen gelernt. Das war für mich früher undenkbar. Mir hätte das Kollegiale gefehlt. Aber inzwischen habe ich die Möglichkeit, ab und zu ins Büro zu fahren. Es ist prima, wenn beides geht.

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Wie glaubt ihr, haben eure Kinder die Coronazeit erlebt?

Julia: Ich glaube meine haben es ganz gut verkraftet. Es war immer eine positive Bewegung im Haus, wir haben viele Projekte angefangen. Das fanden auch die Kinder toll. Allerdings sind unsere Kinder auch noch sehr jung. Da ist das Bewusstsein noch nicht so präsent, was sie wahrscheinlich alles verpasst haben.

Barbara: Unsere Kinder sind in den letzten beiden Jahren weder vereinsamt, noch hatten sie Bewegungsmangel – weil wir dem auch einfach entgegenwirken wollten. Wir fanden in der Coronazeit Beschäftigung draußen ganz wichtig. Da haben wir uns auch stellenweise in Eigenverantwortung über die Regeln hinweg gesetzt und sie beispielsweise mit Kindern aus der Nachbarschaft spielen lassen. Dort gibt es Einzelkinder, die den Kontakt dringend gebraucht haben.

Und auch unsere drei haben die Zeit mit anderen Kindern sehr genossen. Bei der Mittleren hab ich gemerkt, dass sie im Laufe des Homeschooling immer lustloser wurde. Ihr fiel es schwer, sich zu motivieren. Die ältere Schwester war beim zweiten Lockdown viel gelassener und konnte auch die Vorteile sehen. Etwa, dass sie nicht so viele Arbeiten schreiben. Sie sind alle sehr froh, jetzt wieder normal in die Schule gehen zu können.

“Was mich jedes Mal runtergezogen hat, war die Sorge, dass die Schulen wieder geschlossen werden.”

Barbara
Familie Schneider

Gibt es eine Personengruppe, mit der ihr beide persönlich gerne getauscht hättet in der Coronazeit?

(beide lachen)

Julia: Ja es gab Phasen, da habe ich mich alleine zurück in meine 1-Zimmer-Wohnung in Berlin gewünscht. Da hat man zwar dann andere Probleme, aber man hat nur die Verantwortung für sich selber. Mit Kindern sieht das einfach anders aus.

Barbara: Eine kinderlose Kollegin sagte mir des Öfteren: Wir langweilen uns so. Da war ich natürlich in einer völlig anderen Situation. Langeweile kannte ich nicht. Eher das Gegenteil.

Julia: Aber hättest du gerne getauscht?

Barbara: Ja ich habe schon gedacht, wie einfach wäre das jetzt, wenn du nicht mehr gebunden wärst. Man war einfach nicht flexibel. Das hat mich gestresst. Ich habe mir meinen Jüngsten schon älter gewünscht. Damit ich einfach auch mal gehen kann und die Kinder für eine Weile alleine bleiben können.

Was macht ihr denn, um solchen Stress abzubauen?

Barbara: Im zweiten Lockdown bin ich abends immer eine Runde gegangen. Das war fast ein Ritual. Seit einigen Monaten habe ich damit begonnen, mich wieder mehr zu bewegen. Egal wie. Joggen, Gehen, und wenn es nur 20 min sind. Die Zeit nehme ich mir und ich merke, dass mir das gut tut.

Julia: Ja, das mit dem Sport kann ich bestätigen. Ich war viel laufen in der Coronazeit. Ich war traurig, dass meine ganzen Sportgruppen sich nicht mehr treffen konnten. Wenn ich mich lange nicht bewege, fühle ich mich nicht wohl. Und da bietet sich das Joggen ja an. Wir haben auch mit den Kindern schöne Sachen gemacht um runter zu kommen – z.B. Nachtwanderungen.

“Wir haben einfach versucht, Sachen zu machen, die man sonst nicht machen kann.”

Julia

Anfang April sind die meisten Maßnahmen gegen Corona nun aufgehoben worden. Was haltet ihr davon?

Julia: Ich bin da ein bisschen indifferent. Mich schränken die Regeln nicht wirklich ein. Auf der anderen Seite steigen die Infektionen ja trotz aller Maßnahmen. Deshalb scheint es an der Zeit, den Versuch ohne Maßnahmen zu wagen. Ich sehe dem sehr gelassen entgegen. Es hat ja auch jeder weiterhin das Recht eine Maske zu tragen. Aber um wieder zur Normalität zu kommen, ist das natürlich der richtige Schritt.

Barbara: Ich werde die Maske auch weiter tragen. Ich will es einfach nicht herausfordern. Für mein erstes Schuljahr nehme ich sie ab und zu ab, weil die Kinder mir einfach auch mal auf den Mund schauen müssen. Zu Beginn konnte ich mir nicht mal vorstellen, mit Maske einzukaufen. Aber nun stört sie mich nicht mehr. Es soll einfach jeder für sich selbst entscheiden.

“Chirurgen arbeiten während einer OP stundenlang so intensiv und konzentriert – und das mit Maske. Da sollte es uns doch möglich sein, entspannt mit Maske einkaufen zu gehen, ohne zu hyperventilieren.”

Julia

Gab es denn in letzter Zeit noch eine Nebenwirkung der Coronazeit, die euch als Familie eingeschränkt hat?

Julia: Ich finde wir leben wieder ohne merkliche Einschränkung. Wir können alles machen, was wir vorher auch getan haben. Ich bin auch gar nicht mehr auf dem Laufenden mit den ganzen Regelungen, weil sie uns kaum mehr betreffen. Ich glaube, uns als Familie geht es sehr gut.

Barbara: Ich empfinde im Moment auch keinerlei Einschränkungen. Es sei denn, es ist jemand krank und man kann ihn eben nicht besuchen. Oder wenn man etwas für die Ferien geplant hat.

Julia: Genau, das Planen des Urlaubs. Das ist noch so eine unbekannte Größe. Am besten macht man das noch so spontan wie möglich. Ich hatte zwischendurch auch immer die Sorge, dass nochmal ein Lockdown kommt. Aber zum Glück geschah das dann nicht. Im Moment fühl sich das auch sehr weit entfernt an. Das hatte mich aber eine Zeit lang begleitet.

Wenn ihr auf die letzten beiden Jahre zurückschaut: Gab es da einen bestimmten Moment, der euch total schockiert hat?

Barbara: Als die Kinder sich draußen an einem Tag gemeinsam aufgehalten haben, kam das Ordnungsamt einmal vorbei. Da hatte uns jemand angeschwärzt. Sie waren zum Glück sehr nett, aber da war für mich ein Punkt erreicht, an dem ich dachte: Kann das sein? Bei allem, was die Kinder in der Coronazeit geleistet haben und womit wir zu kämpfen hatten. Man hat sich fast gefühlt wie eine Schwerverbrecherin. Diese Erfahrung fand ich total daneben.

Julia: Ja, die Menschen waren einfach total angespannt während des ersten Lockdowns. Das hat man gemerkt. Ich bin immer noch ein bisschen erschrocken über diese Spaltung der Gesellschaft in zwei Lager: die Coronaleugner und die, die das Thema ernst nehmen. Da haben sich auch bei uns in der weiteren Familie Fronten gebildet. Aber mittlerweile kann zumindest ich toleranter mit den jeweils anderen umgehen. Sollen sie machen, was sie möchten.

“Positiv zog ich aus allem, dass mich jetzt so schnell nichts mehr schockieren kann.”

Barbara

Bye bye Coronazeit?

Diese Frage können wir auch nach dem offenen Interview nicht eindeutig beantworten. Es bleibt spannend für alle, wie gut uns die Rückkehr in die Normalität gelingen wird. Eine Folgerung lässt sich allerdings ziehen. Viele Familien sind trotz aller Widrigkeiten einfach gut darin, auch in den Schwierigkeiten das Positive zu erkennen – und daraus stärker hervorzugehen.

Vielen Dank an Julia und Barbara für die Zeit, die sie sich für unser Interview genommen haben!

Wir freuen uns sehr, wenn du unseren Beitrag teilst und uns damit unterstützt. Vielen Dank!

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